TDI – Tag der Industrie 2020: New Space – Wie sieht die Welt von morgen aus?

Am 06. Oktober wurde beim „Tag der Industrie“ des BDI über die Zukunft der Raumfahrttechnologie gesprochen. Neben dem Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrtindustrie, Thomas Jarzombek, waren Anke Pagels-Kerp, Abteilungsleiterin für die Erforschung des Weltalls beim DLR, Marko Fuchs, Vorstandsvorsitzender des Bremer Raumfahrt Unternehmens OHB SE, ESA-Astronautin Samantha Christofferetti und der BDI-Hauptgeschäftsführer, Joachim Lang, an der Diskussion über den Raumfahrtstandort Deutschland beteiligt. Deutschland sei wettbewerbsfähig aufgestellt, müsse jedoch in Zukunft noch mehr in Zukunftstechnologien investieren. Zudem müsse die Bevölkerung stärker für dieses wichtige Thema sensibilisiert werden. Das Thema Raumfahrt ist insbesondere für Baden-Württemberg relevant, da 40 Prozent der Raumfahrtaktivitäten in Deutschland im Südwesten stattfinden.

 

Anfangs wurde erklärt, dass nicht nur die Raumfahrt durch Satellitenbilder und dessen Anwendungsspektren einen Nutzen für die Industrie bringt, sondern vor allem die Erkenntnisse, die bei wissenschaftlichen Versuchen entstehen, förderlich für die Technologieentwicklungen auch in anderen Branchen sind. Des Weiteren seien die Entwicklungen für Raumfahrtmissionen nun in vielen verschiedenen Branchen anzutreffen. So verhelfe zum Beispiel ein bestimmtes Verfahren mit künstlicher Intelligenz heute dazu, Hautkrebs frühzeitig zu erkennen.

 

Anschließend wurde die jetzige Wettbewerbssituation in der Raumfahrtindustrie und im speziellen auf den Wettbewerb zwischen den Raumfahrtnationen erörtert. Dabei war man sich einig, dass eine europäische Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die russischen, amerikanischen, indischen und chinesischen Aktivitäten vorliege. Europa sei im Bereich der Satellitenproduktion gut aufgestellt. Im Bereich der Raketenentwicklung besäßen die amerikanischen Player jedoch einen Vorsprung. Insgesamt sei Deutschland jedoch einer der führenden Raumfahrtnationen und werde so auch von den internationalen Partnern wahrgenommen. Deshalb sei es auch so wichtig diese Position zu sichern. Dies ginge jedoch nur, wenn sich die Bevölkerung für die Raumfahrthemen begeistere, da es bis jetzt nur eine kleine, aber nicht unbedeutende Community gäbe. Da der Nutzen und die Anwendungsgebiete jedoch vielschichtig und wichtig sind, brauche man den Schulterschluss und die Begeisterung der Gesellschaft. Ohne die Bilder der Satelliten wäre es nicht möglich gewesen den Klimawandel zu entdecken, Waldbrände frühzeitiger zu erkennen oder Daten über die Entstehung anderer Naturkatastrophen einschließlich der Wetterbeobachtung zu gewinnen. Nicht zuletzt sei die Telekommunikation und Navigation ein täglicher Begleiter der Menschen. Ein Bewusstsein, dass dies nur durch die Raumfahrt ermöglicht wurde, scheint es aber nur teilweise zu geben. Weiter soll es schon jetzt möglich sein genaue CO2-Ausstoßwerte Emittenten zuzuordnen.

 

Das Bewusstsein für die Relevanz der Raumfahrttechnologien liege aber in der Politik bereits vor. Erstmals sei ein Koordinator für die Luft- und Raumfahrt von der Bundesregierung bestellt worden. Dies zeige die besondere Wertschätzung auf Bundesebene. Ebenso sei es im vergangenen Jahr auf der ESA-Ministerkonferenz gelungen, dass Deutschland zum ersten Mal eine Milliarde Euro mehr als Frankreich gezeichnet habe. Damit sei Deutschland Spitzenreiter in Europa. Thomas Jarzombek erklärte in diesem Zusammenhang, dass die Gelder anders als bei anderen internationalen Programmen eins zu eins in die deutsche Industrie zurückfließen würden. Weiter bestätigte er, dass die Raumfahrtbegeisterung in der Bevölkerung steigerungsfähig sei. Er sehe jedoch anhand der Modeerscheinung NASA-T-Shirts zu tragen, dass dies möglich sei. Des Weiteren betonte er, dass es richtig und gut gewesen ist, dass das Thema Raumfahrt beim BDI erkannt wurde und nun einen Platz auf der Bühne erhalte. Insbesondere mit dem Thema Weltraumbahnhof in Deutschland hätten auch Menschen außerhalb der Raumfahrt-Blase sich für die Branche begeistern können.

In Bezug auf die Wettbewerbssituation im Bereich der Raketentechnologien gebe es in Deutschland nun Unternehmen bzw. Neu-Gründungen, die auch Nutzlasten in den Erdorbit bringen wollen. Diese hätten gute Chancen auch international wettbewerbsfähig zu werden. Wenn Raketen von deutschem Boden starteten, wäre dies ein starkes Zeichen für den deutschen Hightech-Standort.

 

Samantha Christoferetti, italienische ESA-Astronautin, sieht den immer stärker werdenden Wettbewerb in der Raumfahrt vorteilhaft. Mit dem Satz „Competition is a driver, corporation is an enabler“ ging sie darauf ein, dass der Wettbewerb in der Raumfahrt genauso wichtig sei wie Kooperationen, um dadurch Großprojekte, wie die Internationale Raumstation (ISS), zu ermöglichen.

 

Angesichts der vielen Krisen, mit denen die Wirtschaft momentan konfrontiert sei, äußerte sich BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang, dass dies für die Raumfahrt eher förderlich sei, da Staaten ein großes Interesse an eignen Satellitendaten hätten. Deshalb gehe man davon aus, dass in den nächsten acht Jahren ungefähr 10.000 Starts erforderlich sein werden, um all die Satelliten ins Weltall zu bringen. Die Überwachung der Erdoberfläche mit verschiedenen Funktionalitäten durch Sensoren und Künstlicher Intelligenz für verschiedene Anwendungsfälle können jetzt und in Zukunft einen direkten Nutzen stiften. Die Vorstellung, dass die Satelliten mit riesigen Raketen in den Orbit gebracht werden, sei aber falsch. Viele sehr kleine Raketen und passende Satelliten stehen im Fokus. Dies könne man auch an der Entwicklung der letzten Jahre sehen. Circa 400 Satelliten wurden 2019 ins All gebracht, die jeweils weniger als fünf Kilo Nutzlast besaßen. Deshalb sei ein deutscher Weltraumbahnhof auch keine Fantasie oder Utopie, da es nicht um einen Startplatz ginge, wie man sie aus dem Fernsehen aus der Vergangenheit kenne. Ein Schiff oder eine Plattform auf der Nordsee reiche völlig aus, um die Raketenstarts umzusetzen.

 

Anke Pagels-Kerb griff anschließend auf, dass der Nutzen der Raumfahrt unmittelbar greifbar sei. Die Entdeckung eines schwarzen Lochs, das medial präsent war, der Klimawandel, der nur durch Satellitenbilder darstellbar ist und die Detektion von Waldbränden durch Satelliten seien für jeden verständlich und spannend. Dies zeige auf, dass die Raumfahrttechnologie notwendig und wichtig ist.

 

Um jedoch die Raumfahrt-Begeisterung in der Bevölkerung zu fördern und die Sichtbarkeit zu erhöhen, bedarf es laut Thomas Jarzombek jedoch Leuchtturmprojekte bzw. „Signature-Projekte, worauf man stolz sein könne und aufzeigen könnte, dass Raumfahrttechnologie und Zukunftstechnologie aus Deutschland weltweit wettbewerbsfähig sind. Es sei faszinierend, wenn ein Unternehmen wie „Planet“ ein Satellitenkontrollzentrum in Berlin habe, und jeden Punkt der Erde acht Mal am Tag abfliegen könnte, um interessante Dinge zu entdecken. Dies helfe unter anderem dabei Wartungsarbeiten von Infrastrukturen, beispielhaft Bahnstrecken, effizient durchzuführen. Die Anwendungen der Erdbeobachtung seien mannigfaltig und deshalb lohne es sich und sei gerechtfertigt noch mehr in die Raumfahrt zu investieren. Dadurch entstünden nicht zuletzt neue Arbeitsplätze. Diesen Trend umschreibe der Begriff „New Space“ und sei verbunden mit dem Einsatz von Wagniskapital.

 

Eine Space Force, wie in den USA, sei zwar nicht nötig, dennoch besitze die Bundeswehr ebenfalls eigene Satelliten, so Marko Fuchs, Vorstandsvorsitzender der OHB SE. Zudem besitze Deutschland das Weltraum Lagezentrum, wo auch die Fähigkeiten und die Überwachung gebündelt werde. Im staatlichen Bereich brauche es deshalb momentan keine anderen Strukturen. Es gäbe zivile Agenturen, die Satelliten besitzen, sodass es hier keine Nachbesserung bedarf. Vielmehr betonte er, dass es nun Erfolge in der kommerziellen Raumfahrt gebe.

 

Im Hinblick auf die Pläne für Mondmissionen und die vielen Unternehmen in Deutschland, die sich mit Antriebstechnik und Satellitenbau beschäftigen, wird es in Zukunft wichtiger denn je sein, einen Zugang zu den Startplätzen zu haben. Um die Unternehmer in Deutschland zu halten ist es deshalb wichtig über einen Startplatz in Deutschland nachzudenken. Dies könnte eine Magnetwirkung für den Standort Deutschland entwickeln, erklärte ergänzend der BDI Hauptgeschäftsführer.

 

Sehr wichtig für den Standort Deutschland sei vor allem junge Leute für die Raumfahrt zu begeistern und insbesondre für die MINT-Fächer zu begeistern, forderte Anke Pagels-Kerp. Thomas Jarzombek fügte hinzu, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ebenfalls dazu helfe, dass man junge Talente nach Deutschland holen könnte. Des Weiteren sei die Ermutigung und die Förderung Start-Ups zu gründen wichtig, um Technologie zu fördern. So könne man beobachten, dass es in Bayern mehrere Start-Ups gebe, die sich mit Antriebstechnologien und Raketen befassen.

 

Für die Zukunft kündigte Thomas Jarzombek an, mehr Aufträge an die Wirtschaft zu vergeben, so wie es die NASA mit Space-X vorgelebt hat, ein neues Projekt mit Italien und den USA für die Asteroiden-Abwehr zu realisieren und ein gemeinsames Projekt für eine robotische Mission auf dem Mond anzugehen.


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