15. November 2021

FUTUREAVIATION

Am 20. Oktober traf sich die baden-württembergische Luftfahrtcommunity, um über die Herausforderungen in der Luftfahrtindustrie, klimaneutrales Fliegen, die Integration von Flugtaxis in den urbanen Raum sowie über die Rolle von Flughäfen in der Zukunft im Mobilitätsmix zu diskutieren. Man war sich in der Abschlussrunde sichern, dass Baden-Württemberg gute Chance habe, schon heute und in der Zukunft entscheidende Akzente, durch Technologien und Forschung, zu setzen. Durch das Treffen soll sich fortwährend ein Innovationsnetzwerk etablieren, aus dem entscheidende Impulse für die Zukunft der baden-württembergischen Luftfahrtzuliefererindustrie hervorgehen sollen.

Nach der Begrüßung durch Dr. Thomas Potinecke und Dr. Florian Herrmann, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, stellte zunächst Antonino Ardillio, Leiter Team Technology Innovation Intelligence, die im Jahr 2020 erstellte Branchenanalyse „FUTURE AVIATION BW – Bewertung der Potentiale für Baden-Württemberg im Wandel der Luft- und Raumfahrtbranche“ vor. Im Anschluss berichtete der Vorstandsvorsitzende des Forum Luft- und Raumfahrt Baden-Württemberg über die Zielstellung und die Hintergründe des Vorhabens „FUTUREAVIATION“.

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung, Elektrifizierung der Mobilität und Defossilisierung, wurde bereits vor der Corona-Krise die Transformationsprozesse der Luftfahrtindustrie diskutiert. Diese Diskussionen und Erkenntnisse wurden in der Branchenanalyse „FUTURE AVIATION BW – Bewertung der Potentiale für Baden-Württemberg im Wandel der Luft- und Raumfahrtbranche“ gesammelt und in einem Expertenworkshop im Oktober 2020, an dem sich der LR BW-Arbeitskreis proAVIATION einbrachte, vorgestellt und diskutiert, unter welchen bestimmten Zukunftsszenarien entsprechende Entwicklungen voranschreiten würden. Auf dieser Grundlage soll nun der offene Branchendialog „FUTURE AVIATION“ zur Sicherung des Luftfahrtstandortes Baden-Württemberg beitragen und Impulse im Branchenwandels setzen. Der Branchendialog dient dabei zur Sensibilisierung, Frühaufklärung, zur Initiierung von Kooperationen und zur Formulierung von Zukunftsperspektiven. Es sollen relevante Technologien der Luftfahrt betrachtet und allgemeine Trends und deren Implikationen auf Unternehmen analysiert werden.

Zuerst klärte Thomas Belitz, Manager Luftverkehr, Ausrüstung und Werkstoffe beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V, in seinem Vortrag „#TakeOffToZero – Die Zukunft der Luftfahrt“, die Teilnehmer über den Status-Quo der Diskussionen auf. Er thematisierte den Weg zur klimaneutralen Luftfahrt, beschrieb die Herausforderung unabhängige und resiliente Lieferketten in Europa aufzubauen und verwies auf die Dringlichkeit Investitionen in die Erforschung und Entwicklung neuer und klimafreundlichen Technologien in der Luftfahrt zu tätigen. Dabei zeigte er auf, dass nicht nur die Reduzierung von CO2 ausschlaggebend für eine klimaneutrale Luftfahrt sei, sondern insbesondere die Reduzierung bzw. Vermeidung von Kondensstreifen und die daraus resultierenden Zirruswolken. Er konnte ebenfalls klar machen, dass Flüge unter einer Reichweite von 4.000 km die größten Auswirkungen auf die Klimabilanz des Flugverkehrs haben.

Die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten sei zunehmend durch ökologische Kriterien bestimmt. Es gehe momentan insbesondere darum den Übergang von fossilen auf erneuerbare Energieträger für den Antrieb zu gestalten. Das größte Potenzial zur Minderung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs sehe man dazu in der Einführung von synthetischen und biobasierten Flugkraftstoffen (SAF – Sustainable Aviation Fuels). Um dies zu erreichen, bedarf es einer Umstellung des Antriebs auf regenerative Energieformen bzw. Elektrifizierung und Hybridisierung. Mittel- und langfristig wird jedoch grüner Wasserstoff für die Luftfahrt von besonderer Bedeutung sein. Ebenso sollen elektrische VTOLs und kleine Regionalflugzeuge mit Brennstoffzellen einen Beitrag leisten.

Vor allem langfristig jedoch werden revolutionäre Gasturbinen und die intelligente Kombination aus Energieträgern, neuen Flugzeugarchitekturen sowie Querschnittstechnologien wettbewerbsfähige Flugzeuge als Teil eines klimaneutralen Luftverkehrssystems ermöglichen.

Johannes Schumm, Flughafen Stuttgart GmbH, beleuchtete in seinem anschließenden Vortrag, wie Flughäfen heute schon die Bodeninfrastruktur klimaneutral gestalten kann und ging auf die Rolle der Flughäfen in der Zukunft ein. Diese seien in Zukunft vielmehr ein Infrastrukturanbieter, welche zum einen eine Plattform für den intermodalen Verkehr anbieten und zum anderen Wettbewerbsvorteile erreichen kann, indem man vor Ort in der Lage ist SAF oder Wasserstoff anzubieten. Deshalb arbeite man in Baden-Württemberg an dem Projekt „reFuels“. Bei diesem wird in einer Demonstrationsanlage in Heidenheim mit CO2 aus der Zementindustrie nachhaltige Kraftstoffe hergestellt. In einer dabei entstandenen Machbarkeitsstudie wurde herausgefunden, dass ein Zementwerk in Baden-Württemberg den CO2-Bedarf, um den Stuttgarter Flughafen zwei Jahre mit synthetischen Kraftstoffen zu versorgen, abdeckt. Darüber hinaus ist der Flughafen Stuttgart in dem Projekt „H2FLY“ involviert. Zudem soll bereits 2025 ein 4- zum 40-Sitzer als erstes Wasserstoff-Brennstoffzellen-Flugzeug (D328) in Kooperation mit der Deutsche Aircraft abheben.

Danach referierte Prof. Dr. Iris Belle, Drees & Sommer, über Ideen und Designstudien zum Thema Integration von Flugtaxis in den urbanen Luftraum. Dabei wurde ersichtlich, dass es darum gehe die Technologie massentauglich zu machen. „Flug-Busse“ könnten hier eine Lösung sein oder die verstärkte Einbeziehung des ländlichen Raums schaffen hier neue Business-Modelle. Festzuhalten ist, dass die Erfolgsfaktoren für eine Umsetzung im Stadtraum aus Sicht der Stadtplaner, Städtebauer und Architekten in der Verzahnung mit der bereits bestehenden Infrastruktur, in der Vernetzung mit den erdgebunden Mobilitätsangeboten und in der Einbindung von Interessensträgern und Bürgern liegen.

Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer in World Cafes die Herausforderungen und Lösungen zu den Themen „Neue Fluggeräte (Flugzeugformen)“, „Neue Antriebsformen (Klimaneutralität)“ und „Neue Lieferketten (Markttrends)“.

Nach den World Cafes präsentierte dann Benno Petersen, Leiter Innovation and R&T bei DIEHL Aerospace, über die allgemeinen Trends und Herausforderungen für die Luftfahrt, Innovationen in der Kabine und bei Computerplattformen sowie über die Auswirkungen auf die Märkte durch die Veränderungen und Verschiebungen in der Luftfahrtindustrie. Er thematisierte insbesondere die Rolle der digitalen Vernetzung in der Kabine, zwischen Flugzeugen und Infrastruktur und stellte die Relevanz von Clouds für die Zukunft dar. Ebenso zeigte er im Zusammenhang mit dem Ziel des automatisierten bzw. automatischen Fliegens auf, wie wichtig das Thema „Cybersecurity“ in Zukunft sein wird. Ferner konnte er einen Einblick geben, wie in Zukunft die Kabine auch einen Beitrag zur klimaneutralen Luftfahrt, insbesondere im Bereich Wasserstoff, liefern kann. Dabei geht es darum, dass ein Großteil der Energie bei einem Flug für die Kabine einschließlich Catering, Multimedia-Angebot, Beleuchtung und Belüftung verbraucht wird. Hier könnten Brennstoffzellen ebenso als Energielieferant abgebildet werden. Erste Entwicklungen dazu existieren bereits.

Im letzten Vortrag präsentierte Bjoern Nagel, DLR, über die Auswirkungen das klimaneutrale Fliegen auf die Zusammensetzung und Architektur von Flugzeugen. Zuerst jedoch stellte er aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft dar. So könnten heute schon die Auswirkungen auf das Klima um 40 Prozent reduziert werden, wenn der Flugverkehr langsamer und auf einer niedrigeren Flughöhe stattfinden würden. Des Weiteren können neue Formen von Flügeln den Treibstoffverbrauch drastisch senken. Darüber hinaus machte er auf die Herausforderung aufmerksam, dass zwischen 2020 und 2050 der Flugverkehr um den Faktor 4 steigen wird. In diesem Zeithorizont rechne man aber nur mit einer Steigerung der Energieeffizienz um den Faktor 3. Der Energiebedarf würde zudem um einen Faktor 2 ansteigen. Deshalb sei es umso wichtiger Flugzeugantriebe zu verändern. Herausforderung besteht bei der Umstellung auf flüssigen Wasserstoff jedoch im Volumen. Zwar sei Wasserstoff leichter als Kerosin, jedoch sei das Volumen 4-mal größer als der von Kerosin. Dies bedeute mittel- bis langfristig, dass Flugzeugarchitekturen sich ändern müssten, um entsprechende Tanks verbauen zu können.

Abschließend folget eine Podiumsdiskussion mit allen Referenten. Man war sich einig, dass ein solches Format zur richtigen Zeit gekommen sei und die Themen und Vorträge absolut zielführend und hochkarätig waren. Die Teilnehmer gaben in einer Feedbackrunde an, dass sie weiterhin die Initiative unterstützen und sich einbringen. Es wird beabsichtigt das nächste Treffen am Stuttgarter Flughafen zu organisieren. Baden-Württemberg könne im Zuge der Transformation in der Luftfahrt eine andere Rolle einnehmen als zuvor. Dies bringe Chancen für den Mittelstand und KMU.

 

Für den LR BW nahmen Rolf-Jürgen Ahlers und Christopher Busch teil.

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