„Flightpath 2050“: Europas Vision für die Luftfahrt

Die im Juni 2020 veröffentlichte „Nationale Wasserstoffstrategie“ thematisiert in ihrer 27. Maßnahme die Luftfahrtbranche und kündigt an, von 2020 bis 2024 insgesamt 25 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Dies soll durch die Fortsetzung des Luftfahrtforschungsprogrammes (LuFo VI) geschehen, welches im September 2020 in seine sechste Fassung ging.

 

LuFo

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  • Die Förderberatung Forschung und Innovation des Bundes hat am 16.12.2020 nochmalig auf das Luftfahrtforschungsprogramm VI 2. aufmerksam gemacht. Bis zum 08.01.2021 können noch Skizzen eingereicht werden.

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Das LuFo VI setzt seine Schwerpunkte auf die umweltfreundliche Luftfahrt und die Mobilität der Zukunft. Hierbei soll auch die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie sowie das hybrid-elektrische Fliegen (batterieelektrisch mit brennstoffenzellenelektrisch) als Möglichkeiten zur Emissionssenkung betrachtet werden. Die Förderungen in Höhe von 25 Millionen Euro soll nun dafür genutzt werden, um den neuen Technologiebereich des hybrid-elektrischen Fliegens in seinem Aufbau zu unterstützten. Außerdem sollen Flugerprobungen mit Wasserstoffantrieb und hybrid-elektrischen Antrieben im Bereich der Regionalflugzeuge erprobt werden. So soll die Wasserstofftechnologie im Flugbereich erprobt werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, inwiefern 25 Millionen Euro bundesweit über eine Laufzeit von 4 Jahren ausreichend sind, um den enormen Forschungsbedarf in der Wasserstofftechnologie zu decken.

In der nationalen Wasserstoffstrategie wird außerdem angemerkt, dass es sich hierbei um eine Verlängerung des LuFo VI im Rahmen des europäischen „Flightpath 2050“ handelt. Der „Flightpath 2050“ stellt die Vision der europäischen Luftfahrt bis 2050 dar und fokussiert sich dabei besonders auf die nachhaltige Entwicklung der Branche.

Die Nachhaltigkeit der Branche rückt also immer weiter in den Fokus, wie auch Beiträge im Rahmen des HAV Aviation Forums im November 2020 zeigten. Es wurde dargestellt, dass sich die Unternehmen der Branche aktuell in einer tiefen Krise befinden, bei der es darauf ankomme, die Krise zu überleben. Danach könne man, auch mit öffentlichen finanziellen Mitteln als Unterstützung, in eine Phase des Wandels gehen. In der Phase könne es zur einer Art „grüner Erholung“ kommen, in der wichtige Schritte hin zu einer emissionsärmeren Luftfahrt gestartet werden. Als wichtiger Baustein hierfür wurde die Technologieentwicklung dargestellt; u.a. wurden die Möglichkeiten des 3D-Drucks für den Leichtbau betont, um so die Effizienz der Produkte zu steigern. Die Corona-Pandemie bringe zwar die bekannten enormen Probleme, sei auf der anderen Seite aber auch eine große Chance, sich als Unternehmen und Branche neu auszurichten.

Dieser Weg hin zur klimafreundlichen und nachhaltigen Luftfahrt wird auch im „Flightpath 2050“ so dargestellt. Die Branche befindet sich also unausweichlich auf einem Weg hin zur nachhaltigen Mobilität. Aufgrund der Aktualität und Relevanz der Thematik soll im nachfolgenden auf diese Vision des „Flightpath 2050“ eingegangen werden. Das vollständige Dokument ist auch online verfügbar.

 

Entstehung des „Flightpath 2050“

Im Jahr 2000 rief die Europäische Kommission erstmals alle relevanten Stakeholder zusammen, um zu beraten, wie sich die europäische Luftfahrt in den kommenden Jahrzehnten positionieren solle. Dazu gehörten das verarbeitende Gewerbe, Airlines, Flughäfen, Dienstleister, Regulatoren und Forschungseinrichtungen. Als Ergebnis erschien im Januar 2001 mit dem “European Aeronautics: A vision for 2020” eine erste Roadmap für die Luftfahrt. Es wurde außerdem eine neue Organisation eingerichtet, das Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE). Das ACARE ist für die Umsetzung und Koordination der Roadmap zuständig und entwickelt die Strategic Research Agenda (SRA), die die Umsetzung der formulierten Ziele konkretisiert.
Im März 2011 wurde dann die Fortsetzung des auf 2020 datierten Programms beschlossen, der „Flightpath 2050“, welcher direkt auf der Idee von 2000 aufbaut. Auch für diese neue Roadmap kamen die relevanten Stakeholder rund um das ACARE zusammen, um gemeinsam eine Strategie und Zielsetzung für die kommenden Jahrzehnte zu entwickeln. Die Führung trägt hierbei weiterhin die Europäische Kommission.

Der Flightpath 2050 setzt den Fokus auf zwei zentrale Herausforderungen: die Beibehaltung von Europas globaler Führungsrolle und das Erfüllen der Bedürfnisse der Gesellschaft und des Marktes.
Die Beibehaltung der Führungsrolle soll durch die Bereitstellen der besten Produkte, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, ein starkes Forschungsnetzwerk und eine ausbalancierte Regulierung geschehen, immer unter Bedacht der etablierten Konkurrenz wie den USA, aber auch zunehmende den Emerging Markets, die in den Luftfahrtsektor drängen.

Die gesellschaftlichen Bedürfnisse sollen erreicht werden, in dem die erschwingliche, nachhaltige und zuverlässige Verbindung der Passagiere gewährleistet wird. Außerdem sollen Möglichkeiten für hochqualifizierte Arbeiter geschaffen werden und die europäische Integration gestärkt werden. Insgesamt ergeben sich aus dem Papier sechs Arbeitsbereiche, die diese übergeordneten Ziele und Herausforderungen in detailliertere Themengebiete bringen. Diese werden in den folgenden Abschnitten dargestellt.

 

Bedeutung der Luftfahrtbranche für Europa

Die Luftfahrt ist ein Katalysator für Wachstum, der hochqualifizierte Arbeitsplätze und Innovationen gewährleistet und außerdem entscheidend zum Personen- und Güterverkehr beiträgt.
Die Branche zeichnet sich durch einen hohen FuE-Anteil aus. Die Luftfahrttechnologien sind ein Antreiber für Innovationen auch in anderen Branchen und tragen somit zum Wachstum der gesamten Wirtschaft entscheidend bei. Die Luftfahrt genießt also insgesamt eine herausragende Bedeutung für Europa.

 

Die Vision der europäischen Luftfahrt bis 2050

Der Lufttransport wird in den kommenden Jahrzehnten zunehmen. Innerhalb von Europa wird erwartet, dass sich die Zahl der Flüge mehr als verdoppelt. Auch die Diversität der Fluggeräte wird immer mehr zunehmen. So wird daovn ausgegangen, dass sich eine Vielzahl an neuen „next-generation aircraft“ im Flugverkehr herausbilden. Besonders hervorzuheben ist die unbemannte Luftfahrt, u.a. mit Drohnen.
Durch die Technologieentwicklung und Effizienzsteigerung, bspw. in den Kraftstoffen soll sich die Auswirkung auf die Umwelt immer mehr absenken, sodass 2050 die Luftfahrt als umweltfreundliche Transportmöglichkeit gilt.
Europa ist außerdem weltweit für seine innovativen Konzepte und Produkte bekannt, was u.a. durch ein starkes Forschungsnetzwerk erreicht werden kann – in Kombination mit öffentlichen Förderungen. Des Weiteren ist die Bodeninfrastruktur weiter ausgebaut, sodass sich die optimalen Rahmenbedingungen gebildet haben.

 

  • Erfüllung gesellschaftlicher und marktbezogener Bedürfnisse
    Außerdem soll die Erfahrung der Passagiere an erster Stelle stehen. Das Reisen soll durch ein integriertes, nahtloses, energieeffizientes System immer schneller, sicherer, und reibungsloser ablaufen. Ziel ist die Reise von Tür zu Tür ohne Unterbrechung. Das angestrebte Ziel hierbei ist, dass 90% der Reisenden innerhalb Europas in maximal vier Stunden von Tür zu Tür kommen. Dazu müssen Flugzeiten und Prozesse optimal aneinander angepasst werden, um keine unnötigen Verzögerungen aufzuweisen. Es soll ein Luftverkehrsmanagementsystem bestehen, das eine Reihe von Dienstleistungen für die Abfertigung von mindestens 25 Millionen Flügen pro Jahr mit allen Arten von Fahrzeugen bietet.
    Auch der Frachtverkehr gewinnt immer mehr an Bedeutung und wird zur Alternative für die Frachtschifffahrt.

 

  • Aufrechterhaltung und Ausbau der industriellen Führung
    Im Jahr 2050 hat die innovative, nachhaltige und wettbewerbsfähige europäische Luftfahrtindustrie ihren Platz an der Weltspitze gefestigt. Weltweite Anerkennung hat die europäische Technologie und ihre kostengünstigen und energieeffizienten Produkte.
    Um dies zu erreichen ist eine nahtloses Forschungs- und Innovationssystem notwendig, das Kontinuität durch Forschung unter freiem Himmel, angewandte Forschung, Entwicklung, Demonstration und Innovation bei Produkten und Dienstleistungen gewährleistet.
    Durch diese Marktführerschaft können Kapazitäten und Arbeitsplätze in Europa gehalten und sogar ausgebaut werden.

 

  • Schutz der Umwelt und der Energieversorgung
    Durch die Technologieentwicklung der kommenden Jahrzehnte hat sich die Umweltauswirkung der Luftfahrt minimiert, sodass die Einsparungen das steigende Verkehrsaufkommen überwiegen. Die Luftfahrt gilt somit gesellschaftlich als nachhaltige und umweltschonende Mobilität.
    Erhebliche Fahrzeug- und Motorenentwicklungen wurden kombiniert und gemeinsam weiterentwickelt, um eine wirklich neue Generation europäischer Luftfahrzeuge und Ausrüstungen mit deutlich verbesserter und ständig verbesserter Treibstoff- und Lärmeffizienz hervorzubringen. Als Ziel dieser gesteigerten Umweltverträglichkeit sollen die CO2-Emissionen um 75% und die Stickoxidemissionen um 90% pro Passagierkilometer gesenkt werden. Außerdem soll die Lärmbelastung um 65% reduziert werden.

 

  • Gewährleistung von Sicherheit und Schutz
    Bis 2050 soll das Sicherheitsniveau deutlich gesteigert werden, es sollen weniger als ein Unfall pro 10 Millionen Flüge auftreten. Dazu braucht es ein funktionierendes, nahtloses Luftverkehrssystem und vollständig vernetzte und interoperable Systeme. Auch die Verwendung eines Datennetztes für die Erhöhung der Flugsicherheit spielt eine Rolle.
    Diese Sicherheit soll erreicht werden, obwohl bemannte, unbemannte, ältere und autonome Flugzeuge der nächsten Generation gleichzeitig im selben Luftraum und unter den meisten Wetterbedingungen operieren.

 

  • Priorisierung von Forschung, Testmöglichkeiten und Ausbildung
    Im Jahr 2050 soll die europäische Luftfahrtindustrie über weltweit führende Einrichtungen in Forschung, Testung, Validierung und Ausbildung verfügen. Diese Forschungseinrichtungen bilden ein europaweites Forschungsnetzwerk und bestehen aus Windkanälen, Simulationsanlagen usw. So soll die Zusammenarbeit von Industrie und Forschung und Bildung erleichtert und gesichert werden. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung wird es besonders wichtig sein, starke und kontinuierlich weiterentwickelte Kurse an Universitäten und Hochschulen anzubieten, um so das Nachkommen von Fachkräften zu sichern.

 

Verwirklichung dieser Vision

  • Ein forschungs- und innovationsfreundliches Umfeld für Europa
    Für die angestrebte positive Entwicklung der Luftfahrt in Europa benötigt es einen starken politischen und regulatorischen Rahmen. Besonders wichtig ist die Unterstützung von Forschung und Innovation mit öffentlichen Mitteln, in Partnerschaften mit privater Finanzierung. Die gesamte öffentliche und private Finanzierung, die der Sektor in den nächsten 40 Jahren benötigt, könnte zusammen mehr als 250 Milliarden Euro betragen (Schätzung des ACARE aus dem Jahr 2011).
    Die Regulatorien müssen leicht zu verstehen und umzusetzen sein, damit sie nicht als Hindernis fungieren und von jeder Partei akzeptiert werden. Es braucht außerdem innovative Finanzierungsansätze, die den hohen Bedarf an finanziellen Mitteln schaffen können. Des Weiteren benötigt es über das Finanzielle hinausgehende Anreize, um Forschungen und Innovationen durchzuführen und diese dann auch schnellstmöglich auf den Markt zu bringen. Aufgrund des immer mehr in den Fokus rückenden Aspekts der Nachhaltigkeit und Klimaneutralität werden außerdem Mittel für eine koordinierte Aufsicht eines umfassenden Forschungsprogramms benötigt, um im Zusammenhang der alternativen Kraftstoffe die Forschung voranzutreiben.

 

  • Von der Vision zur Forschungsagenda
    Die im Rahmen des ersten Flightpath (bis 2020 datiert) neu entstandene ACARE als zentrale Organisation für die Umsetzung der Visionen hat eine Strategische Forschungs- und Innovationsagende (SRIA) aufgestellt, in der der Weg von der Vision in die Praxis aufgezeigt werden soll. Das Dokument wurde zuletzt 2017 aktualisiert und kann hier abgerufen werden. Es dient als Leitfaden für die Forschung und Entwicklung. Der Fahrplan soll genutzt werden, um Forschung und Innovation in Europa aktiv voranzutreiben und somit die Führungsrolle auf globaler Ebene zu stärken.
    Außerdem soll ein Beratungsgremium dabei helfen, die Vision in die Umsetzung zu bringen. Dieses Gremium soll die vollständige Beteiligung von allen Stakeholdern anstreben, Empfehlungen aussprechen und eine Plattform für die Verbindung innerhalb der Branche und mit anderen Technologiesektoren (bspw. Energie) bereitstellen.

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